Tiere in der Therapie – Spielerei oder wirksame Unterstützer?

Fotos Flyer mit Programm Tiere in der Therapie – dass dieses Thema hochaktuell ist und auf große Resonanz stößt, zeigte eine gemeinsame Fortbildungsveranstaltung der Landestierärztekammer Hessen und der Psychotherapeutenkammer Hessen am 8. November in Frankfurt. Mehr als 220 Teilnehmern aus beiden Berufsgruppen kamen, um sich intensiver mit diesem Themenkomplex zu befassen. "Tiere können Menschen auf vielfältige Weise helfen", so Dr. Heike Winter, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer. "Der Kontakt zu Tieren hat sowohl körperliche Auswirkungen auf Menschen, z. B. auf Puls und Blutdruck, als auch soziale und psychische." Doch dürfen die Bedürfnisse des Tieres sowie gesundheitliche Aspekte von Tier und Mensch nicht außer Acht gelassen werden. "Nicht jede Tierart und auch nicht jedes Tier ist für den sozialen Einsatz geeignet", führte Dr. Ingo Stammberger, Präsident der Landestierärztekammer Hessen, an. Die Fortbildung griff diese Themen sowie den aktuellen Stand der Forschung zur tiergestützten Therapie auf. Nach den Ausführungen von Dr. Johanna Lass-Hennemann (Universität des Saarlandes) gibt es bislang zwar keine evidenzbasierten tiergestützten Therapieprogramme für bestimmte Störungsbilder. Jedoch belegten einige Studien zur Wirkung von Tieren auf Verhaltens- und Erlebensbereiche, dass Tiere die soziale Interaktion stimulieren. So zeigten autistische Kinder und auch Psychiatriepatienten mehr soziale Kontaktaufnahme; Psychiatriepatienten lachten zudem häufiger und waren hilfsbereiter gegenüber anderen Patienten. Der Einsatz von Tieren in der Therapie könne weiterhin depressive Symptome und Einsamkeit sowie Aggressionen reduzieren und die Therapiemotivation erhöhen. Erfolge weise die tiergestützte Therapie auch im Einsatz gegen Traumata und Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) vor. Speziell ausgebildete PTBS-Begleithunde könnten Patienten zum Beispiel bei Albträumen wecken. In ersten Studien zeigten sich positive Einflüsse auf die PTBS-Symptomatik, Schlafqualität, Ärger, Angst und Stress-Level. Die Wissenschaftlerin sprach sich allerdings entschieden gegen den Einsatz von Wildtieren, wie z. B. Delfinen, aus, die in Gefangenschaft nicht artgerecht gehalten werden könnten. Abschließend wies sie auf den großen Forschungsbedarf zur tiergestützten Therapie hin.

PD Dr. Dorothea Döring (Ludwig-Maximilians-Universität München) griff Tierschutzaspekte bei tiergestützten Interventionen auf und lenkte den Fokus auf die Frage, wie es dem Tier dabei geht. Sie führte aus, dass beim Einsatz von Tieren im sozialen Einsatz immer eine erwachsene sachkundige Person anwesend sein müsse, die feine Signale und Zeichen von Stress bei Tieren erkenne und entsprechend reagieren könne. Besonders wichtig sei, dass das Tier freiwillig Kontakt suche und nicht bedrängt werde. Meerschweinchen, Hamster oder Kaninchen seien keine "Streicheltiere", sondern Lebewesen, deren Bedürfnisse berücksichtigt werden müssten. Hamster seien als nachtaktive Einzelgänger grundsätzlich ungeeignet für den direkten Tier-Mensch-Kontakt. Bei Meerschweinchen gebe es keine soziale Körperpflege untereinander und Streicheln sei für sie oft kein Genuss. Grundsätzlich dürften Meerschweinchen und Kaninchen nicht einzeln gehalten werden. Die Haltung in Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen sei oft tierschutzrelevant, da sich die Tiere z. B. vor dem unvermeidlichen Lärm nicht zurückziehen könnten. Besser als das Halten der Tiere in Klassenzimmern oder Gruppenräumen von Pflegeeinrichtungen sei es, sie dort zu besuchen, wo sie tiergerecht gehalten werden könnten. Wenn Tiere überfordert oder bedrängt würden, könne es durch Kratzen, Beißen oder Umstoßen des Menschen zu Verletzungen kommen. Der Schutz und die Gewährleistung des Wohls von Tieren seien somit auch im Sinn der Prävention von Gefahren.

Nach diesen Ausführungen stellte Dr. Ariane Volpert konkrete Beispiele für den sozialen Einsatz von Hunden vor. Die Tierärztin ist im Verein "Vita e.V. Assistenzhunde" aktiv. Sie erläuterte, dass Therapiehunde durch ihre Anwesenheit wirken, als "Eisbrecher" dienen sowie Zuneigung, Wärme und Geborgenheit vermitteln. Zusätzlich zu dieser emotionalen Ebene decken Assistenzhunde z. B. als Blinden- oder Behindertenbegleithund eine funktionale Ebene ab, indem sie u. a. Türen öffnen und schließen oder Gegenstände aufheben und bringen können sowie im Notfall Alarm auslösen. Dadurch werde die Selbständigkeit im Alltag gefördert und mitunter erst ermöglicht. Der Verein hat bis heute 63 Mensch-Hund-Teams  ausgebildet – davon die Hälfte Kinder-Teams – und betreut sie ein Hundeleben lang weiter. Das Ziel der ganzheitlichen Ausbildung ist ein freudiger, ausdauernder, motivierter und zuverlässiger Assistenzhund sowie eine Sensibilisierung beider Partner füreinander, damit eine vertrauensvolle Beziehung entsteht. "Die berührenden und beeindruckenden Rückmeldungen und die nachweislichen Erfolge sind immer wieder Motivation und Bestätigung für das Konzept von Vita e.V.," unterstrich Frau Dr. Volpert und schloss mit den Worten: "Nur wenn es dem Hund gut geht, kann er dem Menschen helfen!"

Im letzten Vortrag der Veranstaltung stellte Gerd Ganser (Institut für Hundegestützte Psychotherapie Konstanz) seine Psychotherapie-Praxis für Kinder und Jugendliche vor, in der er seine als Therapiehund ausgebildete Golden-Retriever-Hündin "Danka" einsetzt. "Einen Hund in die psychotherapeutische Arbeit zu integrieren, benötigt den Mut, die bekannten therapeutischen Pfade zu verlassen und sich auf etwas Neues einzulassen", stellte der Referent dar. Durch die Integration des Hundes in die Psychotherapie könnten die Möglichkeiten erweitert werden, mit Patienten über Gefühle, Wünsche Bedürfnisse und Handlungsmuster zu sprechen. In der Art und Weise, wie Patienten den Kontakt zum Hund gestalteten, zeigten sich Muster, auf die der Hund reagiere: "Der Hund gibt Rückmeldungen über die Patienten und das Geschehen im Raum, die so nur ein Hund geben kann. Diese zu verstehen und für die Psychotherapie zu nutzen benötigt eine fundierte Auseinandersetzung mit den Prozessen zwischen Patient, Hund und Therapeut." Anhand von Videos veranschaulichte Herr Ganser diese Ausführungen.

Die Fortbildung fand unter dem Motto "Tier und Mensch" statt und ist die zweite gemeinsame Veranstaltung beider Kammern. Schon eine erste gemeinsame Tagung im Herbst 2014 zur Mensch-Tier-Beziehung hatte gezeigt, dass es Themen gibt, die für beide Berufsgruppen gleichermaßen spannend und relevant sind.