Gemeinsame Pressemitteilung vom 17.07.2008 von
  • Landestierärztekammer Hessen
  • Bundesverband Praktizierender Tierärzte - Landesverband Hessen
  • Gesellschaft für Pferdemedizin

Hessens Tierärzte fordern mehr Tierschutz im Pferdesport

Seit Anfang 2008 ist bei bestimmten Reitturnieren und anderen Pferdesport- veranstaltungen in Hessen die Anwesenheit eines Tierarztes nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Die Landeskommission für Pferdeleistungsprüfungen in Dillenburg hält eine Rufbereitschaft bei Turnieren der unteren Leistungsklassen für ausreichend. Hessens Tierärzte sehen dadurch jedoch den Tierschutz gefährdet. "Nur ein Tierarzt vor Ort kann die unverzügliche medizinische Versorgung bei Unfällen oder anderen Notsituationen garantieren", so Prof. Dr. Alexander Herzog, Präsident der Landestierärztekammer Hessen, die zusammen mit dem Landesverband der praktizierenden Tierärzte und der Gesellschaft für Pferdemedizin eine generelle tierärztliche Anwesenheitspflicht auf Pferdesportveranstaltungen für notwendig hält. Die Landeskommission wird aufgefordert, ihre Bestimmungen zu überarbeiten und die Anwesenheitspflicht eines Tierarztes von Turnierbeginn bis zum Verladen der Pferde darin zu verankern. "Eine Rufbereitschaft kann den Anforderungen und unvorhersehbaren Gefahren auf einem Turnier nicht gerecht werden", so Herzog. "Was ist, wenn der Tierarzt zu einem gestürzten Pferd gerufen wird und gerade bei einem anderen Notfall ist oder verkehrsbedingt nicht schnell genug zur Stelle sein kann? Dies geht zu Lasten des betroffenen Turnierpferdes und ist aus Tierschutzgründen keinesfalls akzeptabel. Außerdem schadet es dem Ansehen des Pferdesports in der Öffentlichkeit." Auch sei ein Tierarzt vor Ort erforderlich, um im Verlauf der Veranstaltung sicherzustellen, dass Tierschutzvorschriften eingehalten werden. Zwar koste die ständige Anwesenheit eines Tierarztes auf einer Pferdesportveranstaltung mehr als wenn er zu einem Notfall gerufen würde. "Die sofortige Möglichkeit zur Hilfe für die Pferde muss dies den Veranstaltern und Teilnehmern jedoch wert sein, außerdem ist Rufbereitschaft auch nicht kostenlos", so Herzog abschließend. Landestierärztekammer (LTK) Hessen, Postfach 14 09, 65524 Niedernhausen
Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. - Landesverband Hessen, Aussiger Str. 3, 34590 Wabern
Gesellschaft für Pferdemedizin e.V., Hohle Eiche 31, 44210 Dortmund Kontakt:
Prof. Dr. Alexander Herzog, Präsident der LTK Hessen, Tel.: 06127 - 90 75 0
Dr. Mathias Litsch, Turniertierarzt, Tierklinik Wiesbaden, Tel.: 0611 - 50 20 13

Hintergrundinformationen
Reiterliche Vereinigung und Regelwerke

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) ist zuständig für die Regelwerke zur Durchführung von Pferdeleistungsschauen und Wettbewerben. Zum 1. Januar 2008 ist die alte Leistungs-Prüfungs-Ordnung durch zwei neue Regelwerke abgelöst worden: die neue Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) und die Wettbewerbsordnung (WBO). Dadurch erfolgt eine Einteilung in Wettbewerbe auf breitensportlichen Veranstaltungen nach der WBO sowie in Leistungsprüfungen auf Pferdeleistungsschauen nach der LPO. Weiterhin ist ab 1. Januar 2008 die Unterscheidung der Veranstaltungen und Prüfungen nach den Kategorien A, B und C entfallen. Es wird nach Klassen E (Eingangsstufe), A (Anfangsstufe), L (leicht), M (mittelschwer) und S (schwer) unterschieden. Innerhalb der Klassen wird durch das Stern-System kategorisiert: z. B. M* oder M**. Die bis zum 1. Januar 2008 geltenden Bestimmungen für die Kategorie C sind aus der LPO herausgenommen und in der WBO verankert worden. Die neu geschaffene WBO gilt z. B. für
  • Breitensportliche Wettbewerbe (Umgang mit dem Pferd, Formationsreiten etc.)
  • Reiter-/Fahrerwettbewerbe
  • Gelassenheitsprüfungen
  • zielgruppengerichtete Wettbewerbe in allen Klassen (z. B. Barockreiter, Veteranen)

Anwesenheit eines Tierarztes vor dem 1. Januar 2008

Für die ehemaligen Kategorien A und B (dazu zählten z. B. Springturniere) war die ständige Anwesenheit eines Tierarztes verpflichtend vorgeschrieben, für reine Kategorie-C-Veranstaltungen konnten die Landeskommissionen der FN besondere Bestimmungen festlegen, was meist Rufbereitschaft bedeutete.

Anwesenheit eines Tierarztes seit dem 1. Januar 2008/ Besondere Bestimmungen der hessischen Landeskommission

Zwar ist nach Paragraf 40 Absatz 2 der neuen LPO die Anwesenheit eines Tierarztes auf allen Pferdeleistungsschauen vorgeschrieben. Jedoch können die Landeskommissionen der FN für Pferdeleistungsschauen mit regionaler Bedeutung besondere Bestimmungen festlegen. Nach den Bestimmungen der für Hessen zuständigen Landeskommission (Kommission für Pferdeleistungsprüfungen in Hessen, LKH) ist bei Pferdeleistungsschauen mit Leistungsprüfungen bis zur Klasse M* sowie bei reinen Voltigier-Pferdeleistungsschauen die schnellste Einsatzbereitschaft (15 Minuten) eines Tierarztes ausreichend.
Damit wurden die Veranstaltungen, bei denen die Rufbereitschaft ausreichend ist, ausgeweitet.

Rufbereitschaft

Die Sicherstellung einer 15-minütigen Rufbereitschaft bedeutet, dass der Tierarzt in Ballungsgebieten möglicherweise doch vor Ort sein muss, da eine Anfahrt u. U. länger dauern kann. Weiterhin kann er der Versorgung seiner Praxis nicht nachgehen, da ihn dies im Regelfall zu weit von dem möglichen Einsatzort Turnierplatz entfernt. Keine Rufbereitschaft kann es daher ermöglichen, dass der diensthabende Tierarzt einer anderen Tätigkeit zum Gelderwerb in eigener Praxis nachgeht. Die Vereinbarung der Rufbereitschaft nötigt dem Vertragspartner Tierarzt eine unterbezahlte Anwesenheit ab.
Zudem haben Nachfragen bei Versicherungen ergeben, dass eine Rufbereitschaft nicht versicherbar ist und Haftpflichtansprüche, die sich aus einem verzögerten Eintreffen auf dem Turnierplatz ergeben, von den Versicherungen nicht übernommen werden.